Die Geschichte von Parzival
oder
Laßt uns die Wahrheit sagen!

As der Kelche
 


Wolfram von Eschenbach erzählt in seinem Parzival-Epos (um 1210) die folgende Geschichte:

Der junge Parzival - Ritter von Arthurs legendärer Tafelrunde - gelangt durch einen Zufall in die Gralsburg. Er weiß noch nicht viel vom Leben und ahnt nicht, dass er sich in der Nähe des Grals befindet, dessen Suche er später sein ganzes Leben widmet.

Der Ort, an dem er sich befindet, ist die Burg seines Oheim, des "Fischerkönigs". Doch alle Pracht und Schönheit, die Parzival hier vorfindet, kann ihn nicht darüber hinweg täuschen, dass irgendetwas nicht stimmt: Alle wirken sehr betrübt und der König scheint krank zu sein. Trauer und Depression liegen in der Luft und niemand kann die reichlich gedeckte Tafel wirklich genießen. Doch der junge Parzival traut sich aufgrund seiner guten Erziehung nicht zu fragen, was denn da los sei. Die Höflichkeit, die ihn seine Mutter gelehrt hat, verbietet ihm, Fragen zu stellen. Als er am Morgen des nächsten Tages aufwacht, ist die Burg und mit ihr alles andere verschwunden.

Sein ganzes restliches Leben muss er als Ritter durch die Lande ziehen, bis er endlich die Burg und den Heiligen Gral wiederfindet. Der König leidet immer noch an seiner schmerzenden Verletzung. Doch mehr als die Wunde, schmerzt ihn und das Volk das Stillschweigen, das sich über sie gelegt hat. Parzival, reif an Alter und Weisheit, traut sich nun, die notwendigen Fragen zu stellen, mit denen er die Burg vom Schleier des Schweigens erlösen kann. Sie lauten:

Was schmerzt dich? und 

Wem dient das Ganze hier?

Die Fragen brechen das Schweigen, endlich kann über den Schmerz gesprochen werden und so kommt neues Leben in die erstarrten Strukturen.


Das sind die Fragen, die es heute zu stellen gilt. 
Es geht darum, die Wahrheit darüber auszudrücken und vor allem zu fühlen, was wir heute und hier in dieser Welt sehen und erleben. "Die Wahrheit bringt es ans Licht", sagt Jesus, und: "Die Wahrheit wird euch frei machen!" 

Wenn Schmerz auftaucht - körperlicher oder seelischer - ist die allgemeine Tendenz, in Widerstand zu gehen und das Fühlen des Schmerzes zu vermeiden. Doch gerade hier führt uns der Weg lang. Schmerz hat immer eine Information, diese von sich zu weisen und in den Widerstand zu gehen, erzeugt das Leiden. Das gilt sowohl für individuell persönliche Prozesse, als auch für globale Abläufe und unser Eingewobensein in die Strukturen.

Lasst uns die Wahrheit sagen. 

Die "Parzival-Befragung"
In unseren Gruppen regen wir die TeilnehmerInnen an, sich gegenseitig diese Fragen in Bezug auf ihr Leben auf dieser Erde in dieser Zeit zu stellen. Viele von ihnen nehmen diese Fragen mit zu ihren Freunden und Bekannten. Was dadurch geschieht, ist, dass das Schweigen gebrochen wird. Das allein ändert zwar noch nicht die Welt, doch es erlöst von dem Bann, die Wahrheit nicht sagen zu dürfen.

 


 

 

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